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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 23.02.2021


BELINA – Music For Peace. CD/Vinyl-Produktion und Doku von Marc Boettcher
Sharon Adler

Am 26. Februar 2021 erschien über UniSono Records das Album mit 22 Songs der zu Unrecht vergessenen jüdisch-polnischen Weltmusik-Künstlerin und Schauspielerin Lea-Nina Rodzynek (1925-2006). Trotz ihrer traumatischen Shoah-Erfahrungen repräsentierte sie unter ihrem Künstlerinnennamen "Belina" ihre Wahlheimat Deutschland in den 1960er Jahren über das Goethe-Institut in mehr als 120 Ländern als "musikalische Botschafterin" und rief zu Versöhnung und Toleranz auf. Nach ersten erfolgreichen Festivalteilnahmen in Wien, Kassel und Miami und einer rauschenden Preview am 12. April im Berliner Kino BABYLON im Kreise der Mitwirkenden ist die Filmdokumentation nun auch im Rahmen des JFFB zu sehen.




Im Juni 2019 rief der Filmemacher Marc Boettcher (der mit Biographien zu Künstlerinnen wie Alexandra und Inge Brandenburg dazu beigetragen hat, dass sie nicht in Vergessenheit geraten) via Crowdfunding zur Unterstützung für die Produktion des Filmporträts und der CD auf.
Unermüdlich versuchte er, Fernsehredaktionen, Filmförderer und Plattenfirmen zu gewinnen. Jedes Mal wurde ihm mitgeteilt, der Film sei nicht kommerziell genug, würde keine Quoten erzielen, er sei für die Zuschauer*innen zu politisch oder nicht Deutsch genug. Oder er wurde gefragt: "Was fällt einem Goy ein, sich diesem Thema zu widmen?" bzw. "Jüdische Künstlerinnen im Nachkriegsdeutschland - was ist mit unseren christlichen Künstlerinnen?"

Trotz all dieser Herausforderungen hat es geklappt. Es kamen mehr als 30.000 € von Menschen unterschiedlicher Couleur und Religion zusammen. Das gesamte Filmteam, das mit Boettcher seit 20 Jahren zusammenarbeitet, stellte seine Gagen zurück, damit dieser Dokumentarfilm für alle ein Herzensprojekt vorerst ohne Co-Partner*innen bzw. redaktionelle Einflussnahme realisiert werden konnte. Der fertige Film trifft den Nerv der Zeit, und namhafte Stiftungen und Institute erklärten inzwischen die Absicht, sich für eine angemessene Auswertung einzusetzen.

Am 3. Februar 2021 hat die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) "BELINA – MUSIC FOR PEACE" mit dem Prädikat "wertvoll" ausgezeichnet. In der Jurybegründung heißt es: "Eine detailreiche und hervorragend recherchierte Verbeugung vor einem musikalischen Lebenswerk, das vor dem Vergessen bewahrt werden muss. (…) Mit einer Fülle an Bild- und Tonaufnahmen gelingt Marc Boettcher ein vielschichtiger Einblick in ein faszinierendes Künstlerinnenleben einer Frau, die Zeit ihres Lebens inspiriert war und noch heute inspirieren kann."

Nina Lea Rodzynek

Geboren wurde die Sängerin und Schauspielerin am 6. Februar 1925 in Sterdyń unweit von Treblinka. Schon früh entwickelte sich ihr musikalisches Talent, inspiriert durch folkloristische und religiöse Einflüsse, von ihren Eltern erkannt und gefördert.
Der damals 16-Jährigen gelang unter falschen Namen die Flucht vor den Nazis nach Hamburg, wo sie als Zwangsarbeiterin in norddeutschen Rüstungsbetrieben arbeiten musste. Von polnischen Landsleuten denunziert, kam sie ins KZ Fuhlsbüttel. Dort schnitt sie sich aus Todesangst ein Fingerglied ab und entging somit der Deportation. Vom Lazarett aus floh sie mit Hilfe eines Pastors nach Lübeck. Ihre Familie wurde fast vollständig ermordet, darunter drei Brüder und ihre Eltern.



Nach dem Krieg ging sie zu ihrer Tante nach Paris und erhielt die französische Staatsbürgerinnenschaft. Mit jiddischer und russischer Folklore hatte sie unter dem Künstlernamen BELINA erste Erfolge. 1963 verhalf ihr der von Truck Branns gedrehte TV-Film "Belina - Porträt in Musik" zum internationalen Durchbruch.

Gemeinsam mit dem Berliner Gitarristen Siegfried Behrend (1933-1990) reiste sie in den Folgejahren im Auftrag des Auswärtigen Amtes und des Goethe-Instituts um die Welt, mitunter in Regionen, an denen es nie zuvor Konzerte gegeben hatte oder die von politischen Unruhen erschüttert wurden. Belina sang in 17 Sprachen und trat in über 120 Ländern auf.

Trotz ihres erlittenen Traumas in der NS-Zeit beschritt die Weltmusik-Interpretin Belina nach dem Krieg als "musikalische Diplomatin" den Weg der Aussöhnung und setzte sich für Toleranz und Gleichberechtigung zwischen Deutschen, Juden/Jüdinnen und anderen Völkern ein. Ihr Bestreben, aufeinander zuzugehen und zu vermitteln, war vorbildlich und mutig und ist "in heutiger Krisenzeit mit Kriegen, Rassismus und Flüchtlingsströmen von brennender Aktualität"

Belinas langersehnte Rückkehr in ihre Heimat Polen erlebte sie jedoch als eine persönliche Katastrophe. Dort stieß sie auf Ablehnung und Unverständnis. Damit hatte sie ihre Heimat endgültig verloren. Sie zog zu ihrem Sohn nach Hamburg. Nach der Trennung von ihrem Gitarristen versuchte die Plattenindustrie Belina wieder wie am Anfang ihrer Karriere auf billige Schlager zu reduzieren. Das lehnte sie ab. Nach einem erfolglosen Comeback in den 80iger-Jahren verabschiedete sich Belina von der Bühne. Nach ihrem Tod am 12. Dezember 2006 fand sie auf eigenen Wunsch auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg ihre letzte Ruhe.

Eine musikalische und kulturhistorische Zeitreise. Belina – Music For Peace. Ein Film von Marc Boettcher

Zum 15. Todestag Belinas im Dezember 2021 möchte Filmemacher Marc Boettcher besonders im Jubiläumsjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" an diese außergewöhnliche Frau erinnern.

Marc Boettcher lernte 2006 die Sängerin Belina noch persönlich in Hamburg kennen, wo sie unerkannt und zurückgezogen lebte. Er wollte mehr über die Künstlerin erfahren, und er fragte sich auch, wie Belina trotz ihres Traumas die junge Bundesrepublik repräsentieren und zur Versöhnung und Toleranz aufrufen konnte.

Während Belinas Geschichte erzählt wird, reflektieren Familienangehörige, Zeitzeug*innen, Journalist*innen sowie die Künstler*innen Nana Mouskouri, Joana Emetz, Sharon Brauner, Alexandra Marisa Wilcke, Djatou Touré, Katharine Mehrling Jocelyn B. Smith und Giora Feidman sowie die Publizistin und AVIVA-Berlin-Herausgeberin Sharon Adler Belinas Leben und ihre Karriere, knüpfen Parallelen zu eigenen Lebenserfahrungen und ihrem sozialen Engagement. Viele kannten die Künstlerin vor dieser filmischen Dokumentation nicht. Der Film erinnert auch an die globale Folkwelle, die mit Harry Belafonte, Miriam Makeba oder Joan Baez in den 1960er-Jahren vor allem junge Menschen begeisterte und die die internationale Friedens- und Bürger*innenrechtsbewegung vorantrieb.

Marc Boettcher dokumentiert aber auch vor dem Hintergrund von Rechtspopulismus, Rassismus und überfüllten Flüchtlingsbooten die Herausforderungen von heute und ruft zu einem besseren "Miteinander" auf, zum gemeinsamen "Händereichen, Kennenlernen und Zuhören". Denn Musik ist universell, eine Sprache, die alle verstehen. Sie verbindet und kann befrieden. Ganz im Sinne Belinas, die 1969 in einer Rundfunksendung darum bat: "Was ich mir wünsche, uns allen wünsche, das ist Frieden."

Nach ersten erfolgreichen Festivalteilnahmen in Wien, Kassel und Miami und einer rauschenden Preview am 12. April im Berliner Kino BABYLON im Kreise der Mitwirkenden ist die Filmdokumentation nun auch vom 14. bis 19. Juni 2022 im Rahmen des JFFB zu sehen.

Mehr Infos unter: MB-Film 030-8011425 oder per Mail: info@boettcher-film.de

www.belina-music.de, www.boettcher-film.de und www.facebook.com/belinarodzynek

BELINA – Music For Peace. Die CD/Vinyl-Produktion

Mit BELINA – Music For Peace erscheint dank Marc Boettchers gleichnamiger Filmbiografie nach mehr als 50 Jahren erstmals eine CD der jüdisch-polnischen Sängerin. Mit dem 26. Februar beginnt die offizielle Wiederentdeckung der Weltmusik-Interpretin Belina. Die internationalen Traditionals und Evergreens aus den 1960er-Jahren, darunter auch drei Erstveröffentlichungen, bilden einen beeindruckenden Querschnitt aus dem umfangreichen wie auch vielsprachigen Repertoire der Ausnahmekünstlerin.

Der Soundtrack vereint 22 ihrer schönsten Lieder in 13 Sprachen, darunter Songs wie Exodus, Sag mir wo die Blumen sind, Kalakoltschik, Moulin Rouge, My Yiddishe Momme, Layla, Layla, Je n´aurai pas le temps, und Manhã de Carnaval. Neben den Aufnahmen mit Siegfried Behrend sind auch Orchestereinspielungen von Erwin Lehn und dem Edith-Piaf-Arrangeur Jacques Metehen zu hören.



AVIVA-Tipp: "BELINA – Music For Peace" ist die berührende filmische und musikalische Verbeugung aller Mitwirkenden vor einer außergewöhnlichen und unbeugsamen Künstlerin, deren Leben und Werk durch das Engagement des Filmemachers und Biographen Marc Boettcher damit vor dem Vergessen bewahrt wird. Compilation und Filmbiographie gleichermaßen sind eine würdige Femmage an Lea-Nina Rodzynek. Belina. Einfach wunderschön, tieftraurig, und sehr bewegend.



BELINA – Music For Peace
CD-Release 26. Februar 2021, Doppel-LP März 2021
UniSono-Records, LC 28536
Bestellnr.: UniRec 0115



Belina – der Film

BELINA - Music For Peace
Filmporträt, Deutschland 2019
Autor + Regie: Marc Boettcher, Kamera und Fotos: Oliver Staack, Schnitt: Marian Piper, Ton: Patrick Römer (Unisono Records), Producer: Regina Paul
94 Minuten
Den offiziellen Trailer sowie weitere Infos zum Film finden Sie unter: www.belina-music.de, www.boettcher-film.de und www.facebook.com/belinarodzynek

Produzent Marc Boettcher, geboren in Berlin. Nach dem Hochschulstudium seit 1988 als Dramaturg, Journalist und Regisseur tätig. Ab 1990 auch Synchronautor und -regisseur. 1999 Gründung von MB-Film, Produktion der ersten Fernsehdokumentation "Alexandra - die Legende einer Sängerin" (90 min). Es folgten "Strangers In The Night - Bert Kaempfert Story" (120 min, 2003), "Ich will alles - die Gitte Haenning Story" (120 min, 2006), "SING! INGE, SING! - der zerbrochene Traum der Inge Brandenburg" (Kinoverleih Salzgeber, 120 min, 2011) sowie als Auftragsproduktionen "Rosenstolz - Wir sind Wir! Die Erfolgsgeschichte eines Popduos" (58 min, NDR 2011) und "Die deutsche Lady Jazz – Inge Brandenburg (La lady allemande du jazz)" (58 min, Arte 2012). Zu seinen Filmen schrieb Marc Boettcher auch die Buchbiografien und produzierte die Soundtracks.






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Beitrag vom 23.02.2021

Sharon Adler